Warum ist Raten beim Lesen keine gute Strategie?

Erfahre, wie du erkennst, ob dein Kind beim Lesen rät, und lerne, wie du es mit gezielten Strategien unterstützen kannst, um richtig zu lesen.

Wenn Kindern die Verbindung zwischen Laut und Buchstabe nicht klar und eindeutig erklärt wird, können Schwierigkeiten bei der Dekodierung von Wörtern entstehen. Das bedeutet, dass das Kind die Buchstabenfolge nicht entziffern und ihr keinen oder den falschen Sinn entnehmen kann. In diesem Fall greifen viele Kinder auf “ratendes Lesen” zurück. In Büchern für junge Leser gibt es oft viele Bilder, die es einfach machen, sich etwas auszudenken und zu raten, was als Nächstes kommt.

Wie Raten beim Lesen zur Gewohnheit wird

Unsere Erfahrung zeigt, dass Kinder sehr schnell merken, ob sie lesen können oder nicht. Wenn sie es nicht können, entwickeln sie Strategien, um nicht aufzufallen. Für sie scheint es oft, als ob alle anderen Kinder das Lesen bereits beherrschen. Besonders in den ersten beiden Schuljahren hilft das Gedächtnis vieler Kinder dabei, über die Tatsache hinwegzutäuschen, dass sie Wörter nicht richtig entschlüsseln können. Doch spätestens ab der 3. Klasse, wenn die Texte komplexer werden – auch in Fächern wie Mathematik – wird das Gedächtnis nicht mehr ausreichen und das Raten beim Lesen fällt zunehmend auf. Kinder, die noch keine solide Lesebasis haben, schauen dann auf den Anfang eines Wortes und raten sich durch den Text.


Ein deutliches Zeichen dafür, dass ein Kind auf das Raten zurückgreift, ist, wenn es nicht mehr oder weniger auf den Text, sondern stattdessen ins Gesicht des Lehrers oder Elternteils schaut. Dieses Verhalten bleibt oft unbemerkt, wenn niemand mit dem Kind liest und es genau beobachtet.

So erkennst du, dass dein Kind rät statt liest

Achte auf diese Anzeichen, um zu erkennen, ob dein Kind auf das Raten zurückgreift:

Blickkontakt statt Textfokus:
Dein Kind schaut beim Lesen öfter in dein Gesicht statt auf den Text.
Verlangsamtes Lesen:
Das Kind stoppt häufig und schaut nachdenklich, bevor es weitermacht.
Ungenaues Lesen:
Dein Kind ergänzt Buchstaben und lässt andere weg (z.B. ein Plural “s” oder “en”)
Vermeidung schwieriger Wörter:
Dein Kind überspringt oder rät häufig bei unbekannten Wörtern.
Bilder als Hilfsmittel:
Dein Kind scheint sich oft mehr auf die Bilder im Buch zu verlassen, als auf die Buchstaben und Wörter – Begriffe werden dann geraten. 

Diese Anzeichen können darauf hinweisen, dass dein Kind beim Lesen auf das Raten zurückgreift, anstatt die Wörter richtig zu entschlüsseln. 

3 Tipps fürs Lesen anstatt Raten

Nimm dir etwas Zeit und achte genau darauf, wie dein Kind sich beim Lesen verhält und ob es einzelne Worte rät oder ungenau liest. Solltest du den Eindruck haben, dass dein Kind hier und da ein Wort rät, probiere Folgendes:
Wird ein Wort ungenau gelesen / geraten, tippe noch einmal auf das Wort und bitte dein Kind das Wort erneut zu lesen.
Nutze positive und ermutigende Formulierungen wie: “Schau noch einmal genau hin” oder “Welches Wort steht hier” und vermeide unbedingt Worte wie “Falsch!”, “Nein, das steht da nicht!” 

Warum das Raten beim Lesen langfristig problematisch ist

Lesenlernende müssen durch den mühsamen Prozess des Zusammenschleifens von Lauten zu Wörtern und dann zu Sätzen. Dieser Prozess kann je nach Kind unterschiedlich lange dauern. Geduld ist gefragt – von Eltern, Lehrern und anderen Bezugspersonen, die das Kind mit motivierender Unterstützung begleiten. Doch diese Geduld zahlt sich aus. Wenn Kinder in den ersten zwei Schuljahren das Lesenlernen, ist der Grundstein für eine solide Lesefähigkeit gelegt.

Lesekompetenz von Erstklässlern

Sollte dein Kind nach der Einschulung in der ersten Klasse an Weihnachten noch nicht in der Lage sein, einfache Wörter zu lesen und zu schreiben, ist es an der Zeit, aktiv zu werden.

Hat ein Kind nicht die Chance, die Lesegrundlagen in den ersten beiden Schuljahren zu lernen, wird es deutlich schwieriger, spätere Leseschwierigkeiten zu überwinden. Dies kann langfristig psychische Folgen haben wie ein verringertes Selbstvertrauen, (auffälliges) aggressives oder sehr zurückgezogenes Verhalten.

Falsche Lesestrategien:
Raten führt dazu, dass Kinder Texte nicht richtig verstehen und nur einen groben Sinn erahnen oder eben raten.
Verpasste Chancen:
Kinder, die nicht die richtige Dekodierungsstrategie entwickeln, müssen sich auf ihr Gedächtnis verlassen, das aber nur eine begrenzte Anzahl von Wörtern als Ganzes speichern kann.

Durch das Raten beim Lesen verhindern Kinder, dass das so genannte orthographische Mapping stattfinden kann – der Prozess, bei dem die Buchstabenfolgen von Wörtern automatisch im Gehirn abgespeichert und in Sekundenbruchteilen wiedererkannt werden. Wenn ein Kind diese Fähigkeit nicht entwickelt, verzögert sich der Lesefortschritt erheblich. Ein weiteres Problem ist, dass exzellente Leser in jedem Wort jeden einzelnen Buchstaben erfassen – sie lesen keine ganzen Wörter auf einmal. Leider wurde das Konzept des „Ganzwortlesens“ früher als Lösung betrachtet, doch inzwischen wissen wir, dass das orthographische Mapping entscheidend für das Lesenlernen ist.

Du fragst dich, wie die aktuelle Lesefähigkeit deines Kindes ist?

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Frühe Leseförderung und Intervention sind unerlässlich

Es ist entscheidend, dass Kinder mit Leseschwierigkeiten, LRS (Lese-Rechtschreib-Schwäche) oder Legasthenie frühzeitig erkannt werden. Denn je früher diese Schwierigkeiten angegangen werden, desto mehr Chancen haben die Kinder, mit ihren Klassenkameraden aufzuschließen. Wird LRS jedoch zu spät erkannt, besteht die Gefahr, dass das Kind immer weiter auf das Raten zurückgreift, was es später sehr schwierig macht, diese Gewohnheit wieder zu durchbrechen.

Frühe Erkennung ist der Schlüssel:
Kinder mit LRS müssen so früh wie möglich unterstützt werden, um die Entwicklung des ratenden Lesens zu vermeiden.
Lücken schließen und aufholen:
Frühzeitige Intervention hilft Kindern, den Rückstand im Lesen zu überwinden und mit der Klasse aufzuschließen.

Wie unsere Kurse euch und eurem Kind helfen können

Mit der bewährten Methode Speech to Print, die seit über 20 Jahren erfolgreich angewendet wird, unterstützen wir euch dabei, eurem Kind die Grundlagen des Lesens und Schreibens beizubringen.

Wie funktioniert das?

Unsere Kurse erklären klar und logisch, wie das alphabetische Prinzip funktioniert: Buchstaben sind Symbole für Laute, und Wörter setzen sich aus diesen Lauten zusammen.

Übungen wie Segmenting, Blending und Sound Lines fördern gezielt die Fähigkeit, Laute zu erkennen und sie zu einem Wort zu verbinden.

Das Lesenlernen ist ein Prozess, der Geduld und Übung erfordert. Aber mit deiner Unterstützung wird dein Kind ihn mit Freude meistern – Schritt für Schritt.

Fazit: Die Bedeutung der richtigen Lesestrategien

Das Raten beim Lesen mag kurzfristig eine Lösung erscheinen, doch langfristig ist es keine nachhaltige Lesestrategie. Es ist wichtig, dass Kinder lernen, Wörter Schritt für Schritt zu entschlüsseln und wiederzuerkennen. Durch Geduld, gezielte Leseförderung und frühe Intervention können Eltern und Lehrer ihren Kindern helfen, solide Lesekompetenzen zu entwickeln – das Raten wird damit überflüssig. Gebt eurem Kind die Zeit und Unterstützung, die es braucht – es lohnt sich!

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